Das kuratorische Projekt PostColonialPostFreakPostCardShow präsentiert künstlerische Arbeiten von Ixmucané Aguilar, Enric Fort Ballester, Musquiqui Chihying und Gregor Kasper, Scarlett Hooft Graafland sowie Fabrice Monteiro. Kuratiert wird das Format der Postkartenausstellung im öffentlichen Raum in Hannover und Koblenz von der Kuratorin Julia Katharina Thiemann.
Die fotografische Praxis von Ixmucané Aguilar (*1983) verbindet Portraitreihen mit Gesprächen. Ihre Fotodokumentationen über den deutschen Kolonialismus und insbesondere die Völkermorde an Mitgliedern der (Hirten-)Völker Herero und Nama (1904-1908) erarbeitete sie mit noch lebenden Nachkommen in Namibia sowie anhand von Archivmaterialen. Sie reiste durch weite Teile Namibias, um mit verschiedensten Menschen über ihre aktuelle Situation und Überlieferungen der Geschehnisse zu sprechen, die ihre Lebensrealität oftmals noch immer stark prägen.
So macht sie heutige Spuren des Völkermords anhand der Trauerrituale einzelner Nachfahren eindrücklich sichtbar und hält das koloniale Unrecht der Genozide mit seinen fortwirkenden Folgen wach. Die Fotografie zeigt Gräber in den Dünen von Swakopmund, die eine Gedenkstätte für den Genozid an den Hereros darstellen. Herero-Frauen treffen sich hier regelmäßig und wandern gemeinsam schweigend durch die Wüste, um ihrer Vorfahren zu gedenken. Ixmucané Aguilars Fotografien und Videos, die über die QR-Codes angesehen werden können, zeigen Rituale der kollektiven Trauer über das geschehende Unrecht.
Enric Fort Ballester (*1987 in Valencia, Spanien) kreiert in seinen multimedialen Arbeiten Situationen, die zwischenmenschliches Verhalten und soziale Zuschreibungen ausloten. So initiierte er beispielsweise eine Performance als Demonstration mit gläsernen Protestschildern. Er fragt nach der politischen Wirkmacht dessen, was in Kunst und Alltag dargestellt wird. Wie können soziale Machtverhältnisse visualisiert werden und sind Gegenerzählungen möglich?
Musquiqui Chihying (*1985 in Taipeh, Taiwan) und Gregor Kasper (*1986 in Hoyerswerda) arbeiten momentan an einem filmischen Langzeitprojekt zu Misahöhe, einer ehemaligen Station deutscher Kolonialherren Anfang des 20. Jahrhunderts im Togo, deren gewaltvolle Geschichte sie ästhetisch erlebbar machen. Die alten Stationsgebäude in Misahoe möchte Edem Akuété in ein Kulturforum transformieren, das unter anderem ein Archiv und ein Museum zur kolonialen Geschichte enthalten soll. Die beiden Künstler Musquiqui Chihying und Gregor Kasper verbinden in ihren Arbeiten Fotografien mit fiktiven Postkartengrüßen aus Togo, um zu Reflektionen der Geschichte und Gegenwart anzuregen.
Die niederländische Künstlerin Scarlett Hooft Graafland (*1973) inszeniert ortsspezifische Interventionen und Performances an den entlegensten Orten der Welt. Dabei arbeitet sie mit Menschen aus isolierten Gemeinschaften dieser Regionen zusammen. Ihre spielerischen Interaktionen reflektieren und kritisieren sowohl klischeehafte Menschenbilder als auch das Verhältnis von Natur und Kultur.
So stellt zum Beispiel ihre Fotografie „Resolution, Malekula“, die sie im Jahr 2015 in Vanuatu inszenierte, einen elfjährigen Jungen dar, der auf dem Strand der Insel Malekula ein gelbes Modellschiff der „HMS Resolution“ in Händen hält. Vor zweieinhalb Jahrhunderten lag das Schiff von Kapitän Cook in diesen Gewässern vor Anker und brachte große Veränderungen für die Bevölkerung. Ihre Fotografie „Burka Balloons“ aus Socotra im Jemen zeigt Frauen der örtlichen Bevölkerung in Burkas mit weißen Ballons in der Hand. Im Jemen ist es Frauen verboten, ihren Körper oder ihr Gesicht in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Fabrice Monteiro (*1979 in Belgien, lebt in Dakar, Senegal) thematisiert in seiner Serie „8 Mile Wall“ (2017) die pseudowissenschaftliche Darstellung des „Schwarzen Mannes“ im 19. Jahrhundert in scheinbarer „Unterlegenheit“ und zeigt die Folgen dieses Unrechts und deren Nachwirkungen bis heute. Dabei spielt Monteiro mit überspitzten Vorurteilen, Symbolen und Klischees, nicht nur in Bezug auf „Mister Banania“, einer 1914 gegründeten französischen Kolonialmarke mit rassistischer Werbung, die er neben weiteren Darstellungen von Afrikaner*innen in seinen Inszenierungen überspitzt und so deren Stereotypisierungen kritisiert.
Die internationalen Künstler*innen setzten sich in ihrem bisherigen Werk unter anderem mit Fragen der Sichtbarkeit marginalisierter oder aufgrund von Gender, Klassenzugehörigkeit oder Ethnizität benachteiligter Individuen und Gesellschaftsgruppen auf ästhetisch sinnliche Weise auseinander. Sie verhandeln Fragen von Identität, sozialer und soziopolitischer Zuschreibungen, sowie von Selbst- und Fremdbildern. Humorvoll und kritisch hinterfragen sie Aspekte der Repräsentation in Kunst und Alltag insbesondere im westlichen Blick auf nicht-westliche Lebensentwürfe, Identitätskonzepte und postkoloniale Realitäten. Die künstlerischen Arbeiten in Postkartenform kommentieren Kolonialverhalten und dessen Auswirkungen bis heute auf genuin ästhetische Weise.
Ausstellungsorte stellen dabei einerseits Kioske und öffentliche Räume in Hannover dar, die Touristen und Passanten tagtäglich in großer Zahl erleben, und weiterhin das sogenannten „Deutsche Eck“ in Koblenz, ein als „urdeutsch“ stilisierter Ort und touristisches Ziel, wo der allegorische „Vater Rhein“ auf „Mutter Mosel“ trifft und ein großes Monument von 1897 den ersten deutschen Eroberer Wilhelm I. auf seinem Pferd zeigt.
In dem alltäglichen Objekt der Postkarte beispielsweise mit Portraits und Kurzfilmen von Ixmucané Aguilar mit trauernden Nachfahren der Überlebenden der Genozide an Herero und Nama in Namibia oder inszenierten Portraits mit übersteigerten, kolonial geprägten Stereotypen „des Schwarzen Mannes“ von Fabrice Monteiro, die alte französische Werbebilder für Kolonialgüter, Klischees und visuelle Bildsprachen der rassistischen Herabsetzung karikieren und kritisieren, spiegeln sich gerade in unserer heutigen gesellschaftlichen und politischen Situation eine Bandbreite von Fragen und Problemstellungen, denen die hier versammelten Künstler*innen mit viel Hintersinn, Wissen und Humor, aber auch Kritik ästhetisch begegnen und somit in subtiler Intervention zur Reflektion anregen.
Die Figur des Anderen
Fragen nach Subjektkonstitutionen und Identitätskonzepten sind bei zeitgenössischen Künstler*innen oftmals mit einer abstrahierten Figuration verbunden. Zahlreiche Autor*innen wissenschaftlicher postkolonialer Theorien ebenso wie Künstler*innen und Literat*innen versuchen auf ihre je eigene Weise, angemessene neue Konzepte von Identität, Subjektivität, Repräsentation und Alterität für die komplexen, historisch gewachsenen Zusammenhänge zu finden. Der indischen Wissenschaftlerin Gayatri Spivak folgend, will dieses Projekt nicht einfach nur marginalisierten Identitätskonzepten „eine Stimme geben“, sondern die Konstruktion des scheinbar Eigenen gegenüber dem abgegrenzten Anderen differenziert betrachten – auf ästhetischer Ebene mit all’ ihren Freiheiten und vielleicht auch Frechheiten.
Die Postkarte als Medium ist dabei an sich bereits geschichtsträchtig durch Thematiken der Selbst- und Fremddarstellung besetzt – wenn auch oftmals ungewollt und unreflektiert. Wie bereits der Titel dieses unkonventionellen Ausstellungsprojektes PostColonialPostFreakPostCardShow humoristisch andeutet, vereinten und vereinen sich in Postkarten oftmals Logiken des Blicks auf die oder das Fremde als Exotik des scheinbar Außergewöhnlichen. Dabei kann, aber muss das Fremde nicht geographisch entfernt sein, wie nicht zuletzt die Figur des sogenannten „Freak“ deutlich macht. Vielmehr sind es innere Grenzziehungen, die psychische Prozesse der Subjektbildung und Identitätsstabilisierung aufgrund von Parametern und Zuordnungen des scheinbar „Fremden“ und des angenommenen „Eigenen“ ausbilden.
Send me a Postcard!
Nachdem 1869 die allererste kleine Karte aus brauner Pappe in Österreich verschickt wurde, unterschrieb Otto von Bismarck vor 150 Jahren eine Verordnung zur Kommunikationsrationalisierung, die die sogenannte „Correspondenzkarte“ als günstigere und kürzere Form der Kommunikation einführte, was jedoch aufgrund des Briefgeheimnisses vorerst auf große Bedenken stieß.[1] Dabei wiesen die frühen Correspondenzkarten noch keine Abbildung auf, sondern waren auf einer Seite mit persönlichen Botschaften beschreibbar, während die andere Seite für die Adressierung und das Postwertzeichen vorbehalten war. Ende des 19. Jahrhunderts erweiterte sich das Angebot und die Aufmachung der Correspondenzkarten durch Fortschritte in der Drucktechnik, sodass bald auch Ansichtskarten mit Fotografien, Drucken und/oder farbiger Schrift aufkamen. Seit der Verwendung von Bildern wanderte der Raum für persönliche Mitteilungen auf die linke Hälfte der Rückseite, während die rechte Hälfte für die Anschrift des Empfängers reserviert blieb – so wie wir es auch heute noch kennen. Regelrechte Moden besonders beliebter Sujets lassen sich über die Zeit anhand von Ansichtskarten ausmachen, während das Angebot der Bildmotive zugleich mit definierte, was sehenswert sei – wodurch sie auch als kulturhistorische Dokumente gelesen werden können.
Postkarten waren und sind bebilderte Grußformen als Zeichen aus der fremden Ferne oder des Stolzes auf naheliegende Kulturgüter und Landschaften. Sie signalisieren eine Verbundenheit auch über Entfernungen hinweg. Bildkarten geben seit Jahrhunderten Einblick in fremde Länder, Bauwerke, Kulturstätten sowie Gesellschaften und verbreiten dabei Wissen, Stereotype, Kurioses und Außergewöhnliches. Sie machen Reiseerlebnisse sichtbar und folgen dabei ihren eigenen Gesetzen der Darstellung, die auch Moden und Denkweisen unterliegen. So sind Postkarten stets im Zusammenhang mit einer Politik der Sichtbarkeit sowie Blickregimen zu sehen, die der Gesellschaft der Zeit jeweils entspricht – oder zumindest so tut als ob und dabei auch Vorurteile perpetuiert.
In Zeiten unzähliger digitaler Short-Messenger-Dienste scheint die gedruckte und postalisch versandte Postkarte heutzutage nahezu anachronistisch. Doch ist auch die handgeschriebene Ansichtskarte noch immer aktuell – in pandemiebedingten Zeiten der physischen Distanz mehr denn je, scheint es. Und nicht zuletzt lässt die Postkarte auch noch immer fremde (Sehnsuchts-)Orte aufscheinen – heutzutage in neuer Perspektive, wie beispielsweise die Motive von Scarlett Graaf Hooftland eindrücklich demonstrieren.
Selbst- und Fremdbilder
Die hier ausgewählten künstlerischen Motive der Postkarten tauchen an unterschiedlichen Orten auf, wie beispielsweise in Hannover mit seinem bekannten innerstädtischen Maschsee als Naherholungsgebiet, der als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme entstand und letztlich auch die Bismarcksäule, an der Bücherverbrennungen und paramilitärische Aufmärsche Anfang des letzten Jahrhunderts in nationalsozialistisch-geprägter Zeit stattfanden, in sich ertränkte. Unter anderem an Orten wie diesem kann die Geschichte der Postkartenansicht als visuelles Instrument der Sichtbarkeit bewusst auf antikolonialer, feministischer und kritischer Ebene weitergeführt und dadurch auch die reflektierte Wahrnehmung der uns permanent umgebenden visuellen Codes gestärkt werden. Nicht zufällig verweisen Musquiqui Chihying und Gregor Kasper hier mit ihren Postkarten auf einen ganz anderen, kolonial geprägten Ort. Ihre Ansichten zeigen die Misahöhe, eine ehemalige deutsche Kolonialstation im Togo, wo die beiden Künstler ein Langzeitfilmprojekt verfolgen, das die Erinnerung und das Wissen über die Kolonialzeit ästhetisch aufarbeitet.
Ebenso verbreitet wie Ansichtskarten illustrer Orte waren auch Autogrammkarten bekannter Persönlichkeiten, sowie Ansichten von Attraktivitäten, >Freaks< und sogenannter >Abnormitäten<. Das darunter verborgene Menschenbild ist ausstellendend und abwertend in hierarchisch funktionierendem Machtgefälle, dessen Logik hier auf unterschiedliche Weise künstlerisch unterlaufen wird – gerade in Form einer Ausstellung, die wiederum in sich „ausstellend“ ist. In der Vergangenheit wurde das Fremde häufig als Kuriosum dargestellt und in seiner Fremdartigkeit zumeist auch betont. Insbesondere Bildkarten sogenannter >Völkerschauen< zeigen dies eindrücklich, die eher die Phantasie des Photographen und Auftraggebers spiegelten als (Lebens-)Realitäten abbildeten. Diesem Abschnitt unserer Bildgeschichte setzt das Kunstprojekt PostColonialPostFreakPostCardShow eine eigene Logik und Bildsprache entgegen. Das Ausstellungsprojekt speist inmitten von Hannover und Koblenz künstlerische Postkarten in die Gesellschaft ein, um zu irritieren sowie zur Reflektion inmitten der alltäglichen (Geschichts-)Konsumption anzuregen.
Nicht zuletzt griff und greift die Tourismusindustrie so manche koloniale Argumentation und Repräsentationsweise auf und reaktualisiert Stereotype teilweise bis heute. Fragen der Identitätssuche und –bildung sind daher auch in heutigen Zeiten vordergründiger Interkulturalität mit verdeckten Klassenstrukturen oder gar Rassismus – wie gerade auch im Zuge der Black-Lives-Matter-Bewegung wieder deutlich wurde – noch immer oder auch gerade wieder vermehrt relevant. Etablierte Denkmuster sollten stets in Frage gestellt werden – gerade und insbesondere in Alltagssituationen.
Portrait und Identität
Fragen der Re-Präsentation, die im Feld der bildenden Kunst und speziell in Diskursen der Fotografie bereits eine traditionsreiche Rolle spielen, geraten gerade in Bezug auf postkoloniale Verhandlungen dezidiert in den Blick. Die Ideale kohärenter Selbstverhältnisse und gruppenspezifischer Identitätsstrukturen gerieten in führenden Theorien des Poststrukturalismus und der Psychoanalyse ganz grundsätzlich in die Kritik. Erkenntnisse, dass Identitäten und Subjektwahrnehmungen stets konstruiert sind, setzen sich seit den 1960er Jahren immer stärker durch und sensibilisieren für Aspekte des Postkolonialen.
Die indische Literaturwissenschaftlerin und Mitbegründerin postkolonialer Theorien Gayatri Chakravorty Spivak (*1942 in Kalkutta) untersucht die Selbstinterpretation nicht-westlicher Subjektkonstitutionen in ihrem Konzept der Praktiken von Subalternen. So betont Spivak die Heterogenität und Überlagerung variierender Differenzen, beispielsweise von >race<, >class< und >gender<, die in je eigenen Anteilen individuelle Formierungen von Identitäten prägen und daher auch stets in ihrer vollständigen Komplexität in den Blick genommen werden müssen. Während diskriminatorische Praktiken durch Zuschreibungen funktionieren, gibt es Versuche, diese auch in Gegenakten anzueignen und somit subversiv zu nutzen. Identitätseffekte werden gerade in übertriebenen oder sinnentleerten Zuschreibungen auf die Spitze getrieben, wie beispielsweise Fabrice Monteiro mit seinen Arbeiten eindrücklich zeigt.
Mögliche Handlungsspielräume und Kontererzählungen der Selbstdarstellung minorisierter, subalterner Individuen, die aus postkolonialen Zusammenhängen stammen, stehen im Fokus des Interesses der hier versammelten Künstler*innen ohne sie hierauf reduzieren zu wollen. Vielmehr werden Sichtbarkeitsregime in ästhetischen Freiräumen offengelegt. Genau in diesem diffizilen Zwischenbereich sind die künstlerischen Strategien dieser Postkarten angelegt.
Hybridität
Der indische Theoretiker Homi K. Bhabha (*1949 in Mumbai) spricht potentiellen Strategien der Hybridität und Mimikry eine besondere Kraft aufgrund eines „[…] Prozeß[es] der iterativen >Auftrennung< und der aufrührerischen Neuzusammensetzung inkommensurabler Elemente“[2] zu, durch die individuelle Autoritäten gestärkt werden. Durch eine Form der Unangepasstheit und Zurückweisung narrativer Zuschreibungen entsteht ein Moment der Unberechenbarkeit.
Dabei ist und war das Fremde nie alleinig mit Angst oder nur mit einer Funktion der Stabilisierung des Eigenen verknüpft, sondern auch mit Faszination. Wahrnehmungen der Bedrohung oder Abgrenzung gehen stets untrennbar einher mit Aspekten der Faszination des >Exotischen<. Die Repräsentation des Anderen ist daher immer auch polysem und affektiv aufgeladen. So beobachtete Bhabha in Rückgriff auf Derrida Kippfiguren, in denen psychologische, negative Restphänomene ins Positive umschlagen. Der/die >Andere< ist stets widersprüchlich besetzt. Diese Widersprüchlickkeit und Vieldeutigkeit prägt ausdrucksstarke Kunst seit jeher.
Identitätsbildung ist stets ein sozial vermittelter Prozess. Dabei geraten auch die fortwirkenden Folgen der Repräsentation, Stereotypisierung des scheinbar Anderen als Fremden zur Stabilisierung des scheinbar Eigenen auch über machtpolitische koloniale Situationen hinaus in den Blick. Zugleich erleben wir in unserer globalisierten Welt eine zunehmende Vermischung kultureller Praktiken auf allen Ebenen. Daher proklamiert Homi K. Bhabha eine internationale Kultur in seinem Konzept des >Dritten Raumes<, die „nicht auf der Exotik […] der Diversität der Kulturen, sondern auf der Einschreibung und Artikulation der Hybridität von Kultur beruht“.[3] Aus der Hybridität entstehen nach Bhabha Möglichkeiten der Subversion und Handlungsfähigkeit. Die Kategorie des Hybriden lenkt den Fokus vom Anderen auf Prozesse einer permanenten Vermischung verschiedener Einflüsse und Konzepte zu etwas Neuem, Hybriden. Hybridität beschreibt das Kombinatorische kultureller Praktiken, die stets ihrerseits hybride Identitäten hervorbringen, wie wir alle sie heute in variierenden Anteilen vorstellen. So bieten die hier versammelten Künstler*innen ganz unterschiedliche visuelle Bildwelten, Narrationen und offenen Enden zur eigenen Erkundung und Assoziation an, die hintergründig, kritisch und humorvoll konzipiert sind.
Nicht zuletzt sind die Postkarten dazu gedacht, sie mit einem Gruß versehen tatsächlich zu verschicken und damit wieder neue Verknüpfungen evtl. in alle Welt, in die nahe Ferne oder fremde Nähe, herzustellen. Gerade in Zeiten der physischen Distanz während der Pandemie können künstlerische Arbeiten auf Postkarten nicht nur Zeichen der Zuneigung, sondern vielmehr Angebote der Horizonterweiterung und Reflektion über postkolonial geprägte Verhältnisse und die Weise unseres Zusammenlebens und Umgangs miteinander darstellen.
Dieses Projekt konnte nur umgesetzt werden durch die vertrauensvolle Unterstützung des Kultursommers Rheinland-Pfalz und des Kulturbüros der Landeshauptstadt Hannover. Namentlich danke ich Nike Poulakos und Anne Prenzler mit ihren jeweiligen Teams für die Förderung. Ohne die Bereitschaft der beteiligten Künstler*innen wäre die PostColonialPostFreakPostCardShow nicht möglich gewesen – herzlichen Dank an Ixmucané Aguilar, Enric Fort Ballester, Musquiqui Chihying, Gregor Kasper, Scarlett Hooft Graafland und Fabrice Monteiro für die Zusammenarbeit! Für die Gestaltung der Drucksachen und Webseite danke ich Sebastian Moock.
Julia Katharina Thiemann